Die Übersiedlung des Westerns ins Fernsehen

Zur Ergänzung des 35 Millimeter-Western-Spezials in Ausgabe #6

In unserer Printausgabe #6 haben wir bereits ausführlich über den Western in seinen verschiedenen Ausformungen, die er im Kino erlebte, berichtet. Ergänzend sollte aber auch erwähnt werden, dass nicht nur Kinowestern frühzeitig durch Fernsehausstrahlungen erneut ausgewertet wurden, sondern dass der Western als eines der ersten Genres auch umfangreich in Form von Serien im TV angesiedelt wurde, was letztendlich auch dazu führte, dass sich das Genre ab den 60er Jahren mehr und mehr aus dem Kino verabschiedete. In Deutschland zählen aus heutiger Sicht BONANZA (1959 – 1973), RAUCHENDE COLTS (Gunsmoke – 1955 – 1975) und TAUSEND MEILEN STAUB (Rawhide – 1959 – 1965) zu den bekanntesten klassischen Westernserien. Einige andere, wie EISENBAHNDETEKTIV MATT CLARK (Stories of the Century – 1954 – 1955), JOSH – DER KOPFGELDJÄGER (Wanted: Dead or Alive – 1958 – 1961), YANCY DERRINGER (1958 – 1959), GROSSER ADLER – HÄUPTLING DER CHEYENNE (Brave Eagle – 1955 – 1956) und die aus einzelnen Kurzfilmen mit abgeschlossener Handlung und wechselnden Stars bestehenden ABENTEUER IM WILDEN WESTEN (Zane Grey Theater – 1956 – 1961) wurden mit Hilfe von DVD-Auswertungen, schon fast vergessen, wieder zugänglich gemacht. Ferner machte sich im Besonderen das Pay-TV um die Ausstrahlung der Serie DIE TEXAS RANGERS (The Lone Ranger – 1949 – 1957) verdient. All diese Serien haben überwiegend gemeinsam, dass ihre Stars bis dato keine ausgewiesenen Westernhelden waren, sondern eher als Schurken oder Nebendarsteller im Genre auf sich aufmerksam gemacht hatten – wenn überhaupt. Mit Ausnahme von Jock Mahoney alias YANCY DERRINGER.

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Man könnte daher den Eindruck gewinnen, dass Western im Fernsehen weit weg von der Welt des Kinowesterns ihren eigenen Kosmos entfalteten, tatsächlich jedoch war der Übergang wesentlich fließender, da eine ganze Reihe an B-Westernstars der 50er, die noch kurz zuvor Helden zahlreicher Farbwestern gewesen waren, den Zeichen der Zeit folgend, ins Fernsehen übersiedelten. Einer der ersten war John Payne mit THE RESTLESS GUN (1957 – 1959), dem Rory Calhoun mit DER TEXANER (The Texan – 1958 – 1960) und Scott Brady mit SHOTGUN SLADE (1959 – 1961) folgten. Diese drei Serien brachten es auf jeweils 78 Episoden in zwei Staffeln. Sogar noch wesentlich langlebiger war Dale Robertsons Serie WELLS FARGO (Tales of Wells Fargo – 1957 – 1962), die erst nach exakt 200 Episoden und einer abschließenden in Farbe gedrehten Staffel eingestellt wurde. Auch George Montgomery, mit CIMARRON CITY (1958 – 1959), Joel McCrea, mit WICHITA TOWN (1959 – 1960), und Audie Murphy, mit WHISPERING SMITH (1961), wechselten nach einer Vielzahl an Kinowestern ins Fernsehen. Gerade diese drei in den 50ern beinahe ausnahmslos auf das Genre spezialisierten B-Western-Stars, konnten im Fernsehen überraschenderweise aber nicht Fuß fassen und mussten nach jeweils 26 Episoden die Segel streichen. Rod Cameron wiederum beging stattdessen erfolgreich alternative Pfade: Seine Serie STATE TROOPER (1956 – 1959) wurde zwar auch im Westen angesiedelt, spielte allerdings im Amerika der 50er. Man könnte in diesem Fall von einer Art Neo-Western sprechen, welcher Camerons Image als Westernstar mit dem zeitgenössischen Polizeifilm verknüpfte. Er brachte es damit auf stattliche 104 Episoden.

Im umgekehrten Falle gab es auch ein paar Stars aus frühen Fernsehwesternserien, die im Zuge des Erfolges ihrer TV-Präsenz den Sprung zum Hauptdarsteller in ein paar wenigen Kinowestern schafften, wie etwa Bill Williams, der mit der Serie THE ADVENTURES OF KIT CARSON (1951 – 1955) bekannt wurde, oder Clint Walker, der Star der Serie CHEYENNE (1955 – 1962) wurde ohne zuvor jemals eine namentlich genannte Kinorolle gespielt zu haben, ab 1958 einige Kinohauptrollen in Western bekam, während Rollen in anderen Genres allerdings lange auf sich warten ließen. Ähnliches wie für Bill Williams gilt auch für den Star der bereits erwähnten Serie EISENBAHNDETEKTIV MATT CLARK, Jim Davis, der sich durch die Serie vom Image als regelmäßiger Westernschurke befreien konnte und einige Hauptrollen in B-Kinowestern erhielt, als einer von wenigen Stars des Genres gleichzeitig aber auch weiterhin immer wieder einmal den Bösewicht gab. Disneys Westernstar Fess Parker schaffte es mit seiner Fernsehrolle als Davy Crockett sogar unmittelbar ins Kino, da der entsprechende Fernsehmehrteiler aus den Jahren 1954 und 1955 auch in Form von zwei Kompilationen fürs Kino ausgewertet wurde. Erst ab 1956 trat Parker dann auch als Hauptdarsteller mehrerer dezidiert fürs Kino gedrehter Western in Erscheinung.

Wie populär und wichtig das Fernsehen, nicht nur für den Western, ab einem gewissen Punkt wurde, lässt sich zudem daran verdeutlichen, dass selbst ein A-Star wie Henry Fonda, der bereits zweimal für den Oscar nominiert gewesen war, mit DER ZWEITE MANN (The Deputy – 1959 – 1961) den Weg ins TV wagte. Zeitgleich wanderte beispielsweise auch MGMs langjähriger Star Robert Taylor, u. a. Hauptdarsteller etlicher Western, mit KEIN FALL FÜR FBI (The Detectives – 1959 – 1962) ins Fernsehen ab, wenn auch nicht in eine Westernserie. Analog dazu war Universals langjähriger Star Jeff Chandler, der eine Reihe von Western für Universal aber auch andere Studios gedreht hatte und für einen davon, DER GEBROCHENE PFEIL (Broken Arrow – 1950), eine Oscar-Nominierung hatte ergattern können, für eine Hauptrolle in der Serie ASPHALTDSCHUNGEL (The Asphalt Jungle – 1961) im Gespräch. Chandler jedoch gehörte zu den B-Westernstars, die vorläufig, in anderen Genres, dem Kino treu blieben und verstarb wenig später jung, sodass sich keine weitere Option für eine Fernsehrolle mehr ergab.

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DER GEBROCHENE PFEIL

Da viele der erwähnten Serien entweder nie deutsch synchronisiert wurden, schon sehr lange nicht mehr im Fernsehen liefen, geschweige denn in Deutschland je auf DVD oder Blu-ray veröffentlicht worden wären und selbst unter denen, die eine deutsche Fassung bekamen, oftmals nur ausgewählte Episoden synchronisiert worden sind, lohnt sich für Westernfans der Griff zu internationalen DVD-Veröffentlichungen, um sich ein Bild von diesem hierzulande beinahe aus den Augen verlorenen Kapitel der Westerngeschichte zu machen. Beispielsweise gibt es von ABENTEUER IM WILDEN WESTEN nur etwa ein Fünftel aller Folgen auf Deutsch und von EISENBAHNDETEKTIV MATT CLARK nur ein Drittel. Das ist wahrlich nicht viel, aber andererseits immerhin mehr als bei den komplett ignorierten Serien.

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Und dann gibt es da ja noch eine Unmenge an sonstigen klassischen Westernserien zu entdecken, deren Hauptdarsteller zwar im Kino keine Genrestars, sondern allenfalls Nebendarsteller waren, aber mit ihren Serien unter Umständen über Jahre den Bildschirm eroberten und trotzdem nie den Weg nach Deutschland fanden, wie beispielsweise WAGON TRAIN (1957 – 1965).

Ansgar Skulme

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