Columbia Noir #6 The Whistler (1944-1948)
Indicator Powerhouse
Bereits bei der Columbia Noir Box Nr. 5 hat sich das englische Label Indicator spezialisiert, indem es ausschließlich Filme mit Humphrey Bogart veröffentlichte. Nun präsentiert es die Filme um den „Whistler”.
THE WHISTLER (1944)
THE MARK OF THE WHISTLER (1944)
THE POWER OF THE WHISTLER (1945)
VOICE OF THE WHISTLER (1945)
MYSTERIOUS INTRUDER (1946)
THE SECRET OF THE WHISTLER (1946)
THE THIRTEENTH HOUR (1947)
THE RETURN OF THE WHISTLER (1948)
„The Whistler” war ursprünglich eine beliebte Radiosendung in den 40er Jahren, die es bis 1955 auf sage und schreibe 692 Folgen brachte.
Es dauerte nicht lange, bis man die erste Kinoversion produzierte. Insgesamt wurden es acht ungefähr 60 Minuten lange Filme im “Noir”-Stil, bei denen sieben Mal Hauptdarsteller Richard Dix in den verschiedensten Rollen zu sehen ist. Ob als der Welt überdrüssiger Millionär, als zwielichtiger Detektiv oder als betrogener Lastwagenfahrer, Dix überzeugt in jeder Rolle. Leider konnte der Mime aus gesundheitlichen Gründen keinen weiteren Film mehr drehen, doch man entschied sich, die Serie mit Michael Duane fortzusetzen (The Return of the Whistler – 1948). Doch obwohl er als Darsteller ebenfalls überzeugen konnte, blieb es bei dieser einen Folge.
Der Whistler selbst ist der Erzähler, der uns aus dem Off in die Geschichte einführt. Für uns nur ein Schatten, der eine unheimliche Melodie vor sich hin pfeift, die auch die Erkennungsmelodie der Radioshow war und den wir am Anfang und ab und zu auch während der Handlung zu sehen bekommen. Bemerkenswert ist, dass bei vier der Filme kein Geringerer als William Castle, den die meisten wohl als „Meister der Gimmicks” mit Filmen wie MÖRDERISCH (Homicidal – 1961) oder ES GESCHAH UM 8 UHR 30 (I Saw What You Did – 1965) kennen, Regie führte.
Wer mehr wissen will, kann sich im 35 MM-Heft Nr. 34 in einem ausführlichen und interessanten Artikel von Robert Zion über den „Whistler“ informieren. Hier soll es hauptsächlich um die Blu-ray-Ausgabe von Indicator gehen, und die ist einfach großartig!
Vor ein paar Jahren hatte Columbia selbst sieben der acht Filme als Made on Demand DVDs in ziemlich guter Qualität, allerdings ohne jegliche Extras, herausgebracht. Das hat sich nun geändert. Indicator hat nicht nur alle acht Filme (THE MARK OF THE WHISTLER zum ersten Mal) in guter bis sehr guter Bild- und Tonqualität veröffentlicht, sondern auch, wie bei dem Label gewohnt, nicht mit Extras gegeizt.
Fünf Audio-Kommentare:
THE WHISTLER, von Historiker Josh Nelson
THE POWER OF THE WHISTLER, von Professor Jason A. Ney
VOICE OF THE WHISTLER , von Historiker Lee Gambin
MYSTERIOUS INTRUDER, von Historiker Jeremy Arnold
THE THIRTEENTH HOUR, von Kuratorin Eloise Ross
Zwei Videoessays von Filmkritiker und Autor Kim Newman. Eines zur Whistler-Serie selbst und eines zu William Castle. Ein Interview mit dem Sohn von Richard Dix, Robert Dix. Bildergalerien und einige Kurzfilme.
Natürlich darf bei Indicator das informative Booklet, hier wirklich schon ein Buch mit 120 Seiten, nicht fehlen. Auch für jeden, der die Columbia-DVDs schon hat, ist diese wunderschöne Box von Indicator auf jeden Fall lohnend.
Maggie Breitmeier (Gastautorin)
The Great Gatsby (1949)
(Der große Gatsby)
Imprint
Jeder hat bestimmt schon einmal eine der vielen Verfilmungen von F. Scott Fitzgeralds Geschichte vom reichen Emporkömmling Jay Gatsby gesehen, der versucht, seine Jugendliebe Daisy zurückzugewinnen. Die Älteren die Verfilmung mit Robert Redford (1974), die Jüngeren die mit Leonardo DiCaprio (2013) als Gatsby, doch die wenigsten werden von einer der ersten Verfilmungen des Romans mit Alan Ladd von 1949 wissen oder sie gar gesehen haben. Das australische Label Imprint hat Abhilfe geschaffen und eine codefreie Blu-ray mit der restaurierten Fassung des Films und wie immer großartigen Extras veröffentlicht.
Im Gegensatz zu den späteren Verfilmungen wurde diese in schwarz-weiß und mit geringem Budget gedreht und hat einen Regisseur (Elliot Nugent), dem eine große Kinokarriere versagt blieb. Trotzdem wird die Geschichte hier am schlüssigsten erzählt, da dieser Film als einziger in Rückblenden den Werdegang Gatsbys schildert.
Das größte Plus in dieser Version ist die Besetzung. Alan Ladd ist für mich der beste Gatsby, vielleicht, weil man aus seiner Biografie weiß, dass auch er sich aus ärmlichsten Verhältnissen hocharbeiten musste und deshalb wohl am überzeugendsten wirkt. Doch auch der Rest der Crew ist hochkarätig. Howard Da Silva als Wilson, der einzige Schauspieler, der auch in der Verfilmung von 1974 mitspielt, dann allerdings als Meyer Wolfsheim (der 1949 noch Lupus hieß). Shelley Winters als Myrtle Wilson ist natürlich unschlagbar, ihr kann nicht mal Karen Black aus der 74er Verfilmung das Wasser reichen, und bei Elisha Cook Jr. als Klipspringer habe ich sogar vergessen, wer diese Rolle in den anderen Versionen spielt. Ruth Hussey ist eine elegante Jordan. Einzig Macdonald Carey als Nick kann nicht wirklich überzeugen. Betty Field (Daisy) und Barry Sullivan (Buchanan) sind durchschnittlich, das liegt aber wahrscheinlich daran, dass diese Rollen 1974 mit Mia Farrow und Bruce Dern perfekt besetzt wurden.
Alles in allem eine gute Gatsby-Verfilmung, aus der man mit mehr Geld wohl einen unvergessenen Klassiker hätte machen können.
Die Bildqualität der Imprint-Scheibe ist diesmal nicht ganz so gut, wie man es von ihren vorherigen Veröffentlichungen gewohnt ist, aber immer noch gut; das liegt mit Sicherheit daran, dass es von diesem „Gatsby“ kaum noch Originalkopien gibt.
Doch die Extras sind wieder unschlagbar: Ein Schuber mit alternativem Cover. Ein Kommentar von Professor Jason A. Ney. Die Dokumentation von 1999: „Alan Ladd – The True Quiet Man“, bei der noch viele von Ladds Weggefährten zu Wort kommen. Ein Videoessay von Filmkritikerin Christina Newland. Ein Interview auf der „Noir City Festival“-Bühne von Alan K. Rode mit Alan Ladds Sohn David Ladd.
Gatsby- und Alan-Ladd-Fans sollten sich diese Blu-Ray, in limitierter Auflage, auf keinen Fall entgehen lassen!
Maggie Breitmeier (Gastautorin)
I, THE JURY (1953)
(Der Richter bin ich) Region B, 2D Version
Studiocanal
Kann ein Film trotz sehr kontroverser Kritiken eine Empfehlung wert sein? Ja, er kann.
Die Story: Mike Hammers bester Freund wird erschossen und Mike geht los um dessen Mörder zu suchen, dabei gibt es etwas zu viel verdächtige Partygäste und Gründe für den Mord.
Die erste Verfilmung eines Mike-Hammer-Romans von Mickey Spillane mag kein Highlight der Filmgeschichte sein, besonders kritisiert werden die Darsteller, allen voran Biff Elliot als Mike Hammer. Er ist hölzern, hat wenig Ausstrahlung und wirkt etwas dümmlich. Peggie Castle (99 River Street – 1953) passt zwar ganz gut als Femme fatale, aber was sind das für merkwürdige Zwillinge, die zwischendrin auftauchen?
Doch wie auch oft bei den alten Horrorfilmen der 30er-Jahre, gilt hier: Atmosphäre vor Handlung.
Der Film wurde zwar in 3D gedreht, aber die Bildkompositionen von Kameramann und „Lichtmaler“ John Alton (The Big Combo – 1955), brauchen keine derartigen Effekte. Alton kreiert wie kein anderer, alleine mit seiner Schwarz-Weiß-Fotografie, eine klaustrophobische Stimmung. Die fantastische Musik von Franz Waxman (Rebecca – 1940) trägt perfekt zu der bedrohlichen Stimmung bei. Wen interessiert es da noch, wer, wieso und mit wem auf einer Party war?
Die Ausstattung: Das absolute Plus der Studiocanal Cult Classic Blu-ray ist die fantastische Bild- und Tonqualität des unter der Regie Harry Essex’ entstandenen Films. Zwei Kommentare, einer von Biff Elliot persönlich, einer von Max Allan Collins, und ein Interview mit Biff Elliot von 2006 runden die Sache ab, und für das Sammlerherz gibt es als kleines Schmankerl noch vier Filmpostkarten und die Blu-ray in einem Extra-Schuber.
Es gibt Schlechteres!
Maggie Breitmeier (Gastautorin)
THE SLEEPING TIGER (1954)
Studiocanal
Nach „Schätzen” aus den USA und Australien diesmal ein „Schatz” aus England von Studiocanal, aus ihrer „Vintage Classics”-Serie.
DER SCHLAFENDE TIGER (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Star-Trek-Episode) ist der erste von drei Filmen, die Joseph Losey (DEM SATAN SINGT MAN KEINE LIEDER, OT: The Prowler – USA 1951), hier unter dem Pseudonym Victor Hanbury, wegen seiner angeblichen Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei im englischen Exil mit Dirk Bogarde (DER DIENER, OT: The Servant – GB 1963) gedreht hat. Die Handlung ist typisch für die Zeit; damals entdeckten die Filmemacher das Thema Psychoanalyse für sich (z. B. ICH KÄMPFE UM DICH, OT: Spellbound – USA 1945).
Inhalt: Ein Psychiater (Alexander Knox) erwischt einen Dieb (Dirk Bogarde), als dieser in sein Haus einbricht. Doch statt ihn der Polizei zu übergeben, macht er dem Einbrecher den Vorschlag, für ein halbes Jahr bei ihm im Haus zu leben, um ihn in einem Versuch zu resozialisieren. Natürlich ist dem Dieb diese Variante lieber, aber er hat so seine eigenen Pläne, auch mit der zuerst gar nicht so begeisterten Ehefrau des Arztes (Alexis Smith). Sie verliebt sich prompt in den charmanten Bösewicht; daraufhin überschlagen sich die Ereignisse.
Leider ist die Handlung anfangs etwas langatmig und sehr dialoglastig. Doch die Schauspieler, allen voran Dirk Bogarde, spielen so fantastisch, dass man es trotzdem bis zum extrem spannenden und überraschenden Ende kaum erwarten kann. Die Bild- und Tonqualität des Films, der erstmals auf Blu-ray (Region B) erschien, ist – wie fast immer bei Studiocanal – einwandfrei. Die Extras können sich auch sehen lassen: ein Interview mit dem Autor der Dirk-Bogarde-Biographie John Coldstream und ein Interview mit dem Journalisten Matthew Sweet über Losey und Bogarde.
Ein interessanter Film und ein Muss für jeden Dirk-Bogarde-Fan!
Maggie Breitmeier (Gastautorin)
THE SCARLET HOUR (1956)
Imprint
Dieser Schatz, im Deutschen ALLE SPUREN VERWISCHT, kommt diesmal vom anderen Ende der Welt, nämlich vom australischen Label Imprint, das in den letzten paar Jahren schon einige vergessene Klassiker wie I MARRIED A MONSTER FROM OUTER SPACE (1958) oder THE FACE BEHIND THE MASK („Das Gesicht hinter der Maske“ – 1941) in hervorragender Bild- und Tonqualität veröffentlicht hat. Dieses Mal gibt es den fast vergessenen Film Noir aus der Endzeit der klassischen Noir-Ära THE SCARLET HOUR (1956) von Meisterregisseur Michael Curtiz (1942: „Casablanca“, 1939: „Günstling einer Königin“) auf einer perfekt restaurierten Blu-ray.
Die Handlung: Ein Paar, das ein geheimes Rendezvous im Auto hat, belauscht zufällig den Plan von Gangstern, in eine Villa, deren Besitzer im Urlaub sind, einzubrechen und den teuren Schmuck zu stehlen. Das bringt das Pärchen auf die Idee, am Tag des geplanten Raubes die Gangster zu überfallen und mit dem geraubten Schmuck ein neues Leben anzufangen. Doch der reiche Ehemann der Dame hat seine Frau schon länger in Verdacht, ihn zu betrügen, und verfolgt das Liebespaar am Tag des Raubes. Von nun an läuft vieles anders als geplant! Ein Film, wie er schwärzer nicht sein kann.
Die Hauptdarsteller sind den meisten wahrscheinlich nicht so geläufig, Carol Ohmart („Das Haus auf dem Geisterhügel“, 1959) in ihrer ersten Rolle und Tom Tryon („I Married a Monster from Outer Space“), doch dafür haben es die Nebendarsteller (der englische Ausdruck Character Actors trifft besser) in sich: E.G. Marshall und Edward Binns (beide bekannt aus „Die zwölf Geschworenen“, 1957), James Gregory (1948: „Stadt ohne Maske“, 1956: „Wenn die Nacht anbricht“) und die wunderbare Elaine Stritch („Who Killed Teddy Bear“, 1965). Als besonderes Schmankerl gibt es zwei Kurzauftritte von Nat King Cole, der das Lied „Never Let Me Go“ singt. Insgesamt ein spannender Film.
Als Extra gibt es einen kompetenten Audiokommentar von keinem Geringeren als dem Buchautor der Michael-Curtiz-Biographie und Film-Noir-Foundation-Mitbegründer, Alan K. Rode. Die Blu-ray ist in einem schönen Pappschuber und hat dadurch zwei verschiedene Covermotive. Zwar ist diese region-freie Blu-ray nicht gerade billig, aber der Film lohnt es auf jeden Fall!
Maggie Breitmeier (Gastautorin)
COLUMBIA-NOIR #2
Lime Wood Media Ltd – Powerhouse Films
Nach der allgemein großartig angenommenen ersten „Columbia Noir“ Box-folgte dann auch nach nicht allzu langer Zeit die zweite Box von Indicator, die die folgenden Titel beinhaltet: FRAMED (1947, aka „Abgekartetes Spiel“), 711 OCEAN DRIVE (1950, aka „Der Henker saß am Tisch“), THE MOB (1951, aka „Die Spur führt zum Hafen“), AFFAIR IN TRINIDAD (1952, aka „Affäre in Trinidad“), TIGHT SPOT (1955, aka „In die Enge getrieben“) und MURDER BY CONTRACT (1958, aka „Der Tod kommt auf leisen Sohlen“).
Wie gehabt, wird jeder Film in bestmöglicher Qualität präsentiert und jeweils mit mindestens einem Audiokommentar und einer THREE-STOOGES-Folge, sowie je nach Film mit kleineren weiteren Extras garniert. Dazu gesellt sich dann noch ein dickes Booklet mit mehreren Liner Notes und Infos zu jedem Film sowie den Stooges-Episoden. Da die Box aber aus Großbritannien kommt, ist leider bei keinem der Filme eine deutsche Synchronisation dabei, aber die englische Sprachverständlichkeit ist in den meisten Fällen sehr gut und man kann englische Untertitel dazuschalten.
In FRAMED muss Glenn Ford als arbeitsloser Bergbauingenieur notgedrungen einen ganz anderen Job annehmen und wird dafür von einer betörenden Frau (Janis Carter) um den Finger gewickelt. Technischer Fortschritt ist es hingegen, der den Telefontechniker Mal (Edmond O’Brien) in 711 OCEAN DRIVE von einem Niemand zum Anführer eines Syndikates werden lässt, was aber andere Organisationen gar nicht gerne sehen, und es gipfelt in einem tollen Finale am Hoover-Damm. Ein brummeliger Broderick Crawford darf in THE MOB als Undercover-Cop einen Polizistenmörder jagen und begegnet dabei in Nebenrollen Ernest Borgnine und Charles Bronson. AFFAIR IN TRINIDAD spielt ausnahmsweise mal nicht in einer amerikanischen Großstadt, sondern auf der Karibikinsel und ist inhaltlich Hitchcocks BERÜCHTIGT (Notorious, 1946) sehr ähnlich, hier mit Rita Hayworth in der Rolle Ingrid Bergmans. Der schwächste, aber trotz allem immer noch unterhaltsame Film der Box ist dann TIGHT SPOT, in dem Ginger Rogers sich so richtig austoben darf, als einzige mögliche Kronzeugin gegen einen Gangsterboss. Zum Abschluss gibt es dann das Boxen-Highlight mit MURDER BY CONTRACT, einem Film, den Martin Scorsese zu seinen größten Einflüssen zählt. Hier glänzt Vince Edwards als kühl und sehr intelligent agierender Auftragskiller, mit einerseits viel Humor, wenn er zwei begleitende Gangster zur Weißglut treibt, aber auch sehr düsteren Szenen, die sehr effektiv inszeniert wurden, ohne allzu viel Gewalt zu zeigen. Ein kleiner, eher unbekannter Film, der aber das Bestmögliche aus seinen Mitteln herausholt.
Leider wird man für die Box auf diversen Shopping- oder Auktionsplattformen ausweichen müssen, da diese beim Label selbst seit kurzem ausverkauft ist. Allerdings wurden alle Filme mittlerweile auch als einzelne Blu-rays veröffentlicht, so dass man nur auf die umschließende Box und das dicke Booklet verzichten muss.
Carsten Henkelmann
Film Noir – The Dark Side of Cinema VI
Kino Lorber (Regionalcode 1!)
Kino Lorber gehört im Moment zu den fleißigsten amerikanischen Labels, wenn es um rare Filmklassiker geht. Ihre Reihe „Film Noir – The Dark Side Of Cinema“, mit jeweils drei Filmen pro Veröffentlichung, ist inzwischen bei Box VII angekommen. Und es sind schon vier weitere Boxen für dieses Jahr angekündigt.
Doch ich möchte den Filmfans zuerst einmal Box VI ans Herz legen. Sie beinhaltet drei außergewöhnliche Raritäten, die sicher nicht so bekannt sind – umso bekannter sind die Schauspieler! Richard Conte, Stephen McNally, Shelley Winters (sogar in zwei Filmen), Dan Duryea, Howard Duff, Fred MacMurray, Ava Gardner und noch viele andere familiäre Gesichter des Noir Genres. Ungewöhnlich auch die Regisseure! William Castle bei Johnny Stool Pigeon, der den meisten wohl eher als Meister der Gimmicks in seinen Horrorfilmen House on Haunted Hill (1959), 13 Ghosts (1960) etc. bekannt sein dürfte. Ebenso John Brahm bei Singapore, seine Horrorfilme Hangover Square (1945), The Undying Monster (1942) sind bestimmt bekannter als dieser kleine Abenteuer-Noir (Casablanca für Arme?). Aber genau diese unbekannteren Arbeiten, sowohl der Regisseure, als auch der Schauspieler, machen diese Box so interessant!
Ein solider Noir, mit tollen Schauspielern, allen voran Dan Duryea, diesmal sogar in einer relativ sympathischen Rolle, als Strafgefangener, der mit einem Cop in ein Syndikat eingeschleust wird. Die unvergleichliche Shelley Winters als Gangsterbraut. Nur Howard Duff als Cop kann nicht so recht überzeugen, das tut dem Film aber keinen Abbruch.
Der Film kann sich zwar nicht so richtig zwischen Noir und Abenteuer entscheiden, aber ein Film mit Richard Conte und Shelley Winters kann gar nicht schlecht sein. Auf der Flucht vor dem Gesetz, versteckt sich Gangster Richard Conte auf einem Fischerboot und findet plötzlich Geschmack an diesem einfachen Leben.
Ein Abenteuerfilm mit Noir-Einschlag, im Stil von Saigon (1948), China (1943) oder auch Macao (1952). Keine großen Überraschungen, aber Fred MacMurray ist als Schmuggler, der plötzlich seine tot geglaubte große Liebe (Ava Gardner) wiedertrifft, glaubwürdig und der Film macht auf jeden Fall Spaß. Die Filme wurden alle sehr schön restauriert und jede Blu-ray hat auch einen kompetenten Audiokommentar.
Ich freu mich schon auf Box VII!
Maggie Breitmeier (Gastautorin)
COLUMBIA-NOIR #1
Lime Wood Media Ltd – Powerhouse Films
Aus England ist man ja an Qualität so einiges gewohnt, seien es Veröffentlichungen von Eureka, Arrow Video oder auch 88 Films. Seit einiger Zeit macht aber auch Indicator von sich reden, deren Schwerpunkt bei Klassikern liegt, aber die sich auch nicht vor aufwendigen Editionen von neueren Filmen scheuen. Die Schmuckstücke in deren Katalog sind vor allem die Box-Editionen, in denen mehrere Filme entweder thematisch, nach einem Studio oder einer Filmreihe zusammengefasst werden. So gibt es von Indicator nicht nur mittlerweile sechs Boxen mit Filmen der Hammer Studios, sondern auch welche mit Filmen von William Castle, Mae West und vielen anderen. Wahre Prachtjuwelen sind aber vor allem die bislang fünf „Columbia-Noir”-Boxen, die jeweils sechs Filme beinhalten.
Columbia-Noir #1 beinhaltet die folgenden Filme: ESCAPE IN THE FOG (1945), THE UNDERCOVER MAN (1949), DRIVE A CROOKED ROAD (1954, aka „Auf gefährlicher Straße”), 5 AGAINST THE HOUSE (1955), THE GARMENT JUNGLE (1957, aka „Ums nackte Leben”) und THE LINEUP (1958, aka „Der Henker ist unterwegs”). Wie man an der nur teilweisen Angabe von deutschen Titeln schon erkennen kann, ist die Hälfte nie in Deutschland ausgewertet worden. Die Bezeichnung „Film Noir” passt allerdings auch nicht unbedingt zu allen Filmen. ESCAPE IN THE FOG ist eher ein Geheimagenten-Thriller in bester Hitchcock-Tradition, bei THE UNDERCOVER MAN versucht ein Ermittler der Finanzbehörden (Glenn Ford) einen Mafiosi wegen Steuerhinterziehung dingfest zu machen und in 5 AGAINST THE HOUSE geht es um eine Gruppe von Studenten, die, nur als Beweis dass es möglich ist, ein Casino berauben wollen.
Aber in DRIVE A CROOKED ROAD spielt Mickey Rooney einen schüchternen, harmlosen Automechaniker und geborenen Rennfahrer, der aus falsch verstandener Liebe zum Fluchtwagenfahrer eines Banküberfalls wird. Im höchsten Maße spannend ist THE GARMENT JUNGLE, in dem der Sohn eines Modefabrikbesitzers versucht, seinen Vater von dem Einfluss des organisierten Verbrechens zu lösen, dessen Schergen ihm die Gewerkschaften vom Halse halten und dafür natürlich kräftig die Hand aufhalten. Und in THE LINEUP sieht man schon die Fingerübungen von Regisseur Don Siegel, die er viele Jahre später mit DIRTY HARRY zur Vollendung bringen sollte, mit einem unglaublichen Eli Wallach als psychopathischem Killer.
Im schlimmsten Fall sind die Filme „nur” sehr unterhaltsam, aber keiner davon langweilt den Zuschauer und die beiden letztgenannten sind absolut großartige Werke. Die Box ist stabil gestaltet, alle Filme stecken in dünnen Hüllen und es gibt ein recht dickes Booklet dazu. Die Bild- und Tonqualität ist bei allen Filmen hervorragend, zu jedem gibt es immer englische Untertitel, mindestens einen Audiokommentar und mal mehr, mal weniger weitere Extras. Als erstes werden sicherlich die jeweiligen Three-Stooges-Episoden gestartet, von denen es jeweils thematisch zum Hauptfilm passend immer eine auf jeder Disk gibt.
Interessierte mögen sich beeilen, denn die Box selbst ist beim Label schon ausverkauft, so dass man leider auf andere Verkaufsplattformen ausweichen muss. Die Investition lohnt sich aber. Wem nur an einzelnen Titeln liegt, der mag sich vielleicht etwas gedulden, in der Regel kommen bei Indicator Filme aus ausverkauften Boxen etwas später dann als eigenständige Veröffentlichung heraus, vorausgesetzt, die Rechte liegen noch bei ihnen.
Carsten Henkelmann
REPEAT PERFORMANCE (1947)
Flicker Alley
Dank der Film Noir Foundation und der UCLA, ist dieser lang verschollene Film nun in einer toprestaurierten Fassung, mit jeder Menge Extras, bei dem US-Label Flicker Alley erschienen.
Die Handlung ist schnell erzählt:
Die Schauspielerin Sheila Page (Joan Leslie) erschießt ihren Mann (Louis Hayward), bereut die Tat und wünscht sich am Silvesterabend nichts sehnlicher, als dass sie das vergangene Jahr noch einmal erleben darf, damit sie diesmal alles richtig machen kann. Prompt geht dieser Wunsch in Erfüllung, doch wird jetzt wirklich alles gut …?
Die Riege der Schauspieler kann sich durchaus sehen lassen. Allen voran, die wunderschöne Joan Leslie, die auch schon in ENTSCHEIDUNG IN DER SIERRA (High Sierra – 1941) neben Humphrey Bogart zu bewundern war. Tom Conway, den die meisten wahrscheinlich als „The Falcon” (1942-46), oder aus KATZENMENSCHEN (Cat People – 1942) kennen. Richard Basehart, in seiner ersten Filmrolle, der später mit dem Regisseur des Films, Alfred L. Werker, auch im Noir SCHRITTE IN DER NACHT (He Walked by Night – 1948) zusammengearbeitet hat. Louis Hayward, diesmal fast noch fieser, als in Fritz Langs DAS TODESHAUS AM FLUSS (House by the River – 1950).
Eines der Highlights dieser Regionalcodefreien, Dual Format Edition von Flicker Alley, ist die Ausstattung. Eine Einleitung zum Film gibt es vom „Czar of Noir” und Film Noir Foundation Gründer Eddie Muller persönlich. Dazu eine Doku über das Eagle Lion Studio, von Alan K. Rode, ebenfalls einer der Gründer der FNF und Buchautor, u.a. der Michael-Curtiz-Biographie. Eine Videobiography über Joan Leslie von Film Historikerin Farran Smith Nehme. Natürlich darf auch ein Audio-Kommentar nicht fehlen, in diesem Fall von Filmhistorikerin Nora Fiore. Das ganze wird abgerundet von einem liebevoll, von Michael Kronenberg (Grafiker der FNF), gestaltetem Booklet, mit einer Buch vs. Film Gegenüberstellung von Brian Light. Als Wendecover gibt es das original Plakatmotiv.
Deshalb, auch wenn die Blu-ray/DVD-Veröffentlichung nicht ganz billig ist: Absolute Kaufempfehlung! Man darf auf jeden Fall schon auf die nächste Zusammenarbeit von Film Noir Foundation und Flicker Alley gespannt sein.
Die Blu-ray ist hier erhältlich:
https://www.flickeralley.com/classic-movies-2/#!/Repeat-Performance/p/417314632/category=20414531
https://www.amazon.com/Repeat-Performance-Blu-ray-Dual-Format-Flicker/dp/B09M7PFXBL
Maggie Breitmeier (Gastautorin)
Ida Lupino – Filmmaker Collection
Kino Lorber
Einer Empfehlung unser Stammleserin Maggie Breitmeier folgend, empfehle ich meinerseits die wunderschöne Box von Kino Lorber Studio Classics: „Ida Lupino – Filmmaker Collection“.
Die Box enthält vier Regiearbeiten Ida Lupinos auf Blu-ray in hervorragender Qualität, jeweils kompetent audiokommentiert und wahlweise auch engl. untertitelt: NOT WANTED (Verführt – 1949), NEVER FEAR (Lügende Lippen – 1950), THE HITCH-HIKER (1953) und THE BIGAMIST (Der Mann mit den zwei Frauen – 1953). Anbei auch ein kleines Buch mit einem wirklich herausragenden Essay von Ronnie Scheib („Ida Lupino – Auteuress“).
Ida Lupino (1918-1995) war eine der wirklich ganz wenigen Regisseurinnen Old Hollywoods, sie war zudem noch Produzentin, Drehbuchautorin und Schauspielerin. Was in diesen Filmen fasziniert, ist, dass Lupino ihre Themen filmisch erzählt und nicht vorführt oder proklamiert. Es sind allesamt B-Filme, dabei herausragendes Hollywood-Handwerk, sehr effizient und kompetent inszeniert, ihre Schauspielerführung (von Sally Forrest, Keefe Brasselle, Edmond O’Brien und Joan Fontaine) ist großartig.
Ihre Themen? Die kleinbürgerliche Gesellschaft, die zur Passivität verdammt, dabei Menschen zeigend, denen das Leben geschieht, und die damit umzugehen haben, die dabei den Bigotterien der Gesellschaft und sich selbst begegnen (genauer dem, was aus ihnen gemacht wurde). Mir kam beim Ansehen dieser Filme immer wieder ein Schlüsselsatz Jean-Paul Sartres in den Sinn: „Es kommt nicht darauf an, was wir aus uns machen; sondern es kommt darauf an, was wir aus dem machen, was man aus uns gemacht hat.“ Das ist das genaue Gegenteil der aktiven (Action-)Helden bei Raoul Walsh oder William A. Wellman, zwei Regisseuren, bei denen Lupino als Schauspielerin einmal begonnen hatte. Lupino spiegelt hiermit die Lebenswirklichkeit von Frauen zu dieser Zeit wieder, selbst, wenn es nur um Männer geht (wie in THE HITCH-HIKER). Es ist ein Kino ohne den in Old Hollywood zutiefst verankerten patriarchalen Machismo (vor und hinter der Kamera), eine wirkliche Seltenheit für diese Zeit, und auch gerade deshalb ebenso ungewöhnlich wie inspirierend.
Im neueren Feminismus ist Ida Lupino dennoch nicht sehr hoch angesehen, weil zu sehr eine wirkliche Filmemacherin, die an Proklamationen und Ideologie nicht interessiert ist. Doch gerade dies macht sie für die Emanzipation umso bedeutender. Und dazu habe ich ja bereits in meinem Rhonda Fleming-Buch bemerkt: „Es ist heute identitätspolitische Mode geworden, dem Aberglauben anzuhängen, ein Mensch könne sich jederzeit am eigenen Schopf aus den Prägungen seiner Herkunft und Zeit ziehen. So werden heute Urteile über Menschen gefällt, nach denen sich diese an einem persönlich und künstlerisch erfüllten, moralisch richtigen und politisch korrekten Leben zu messen lassen hätten, das aus einem geschichts- und kontextlosen Ideenhimmel hergeleitet wird. Doch Rhonda Fleming hat die wirklichen Herausforderungen ihrer Karriere und ihres Lebens in ihrer Zeit und ihrem realen Umfeld angenommen, und sie hat diese tatsächlich in etwas Wunderbares und Einmaliges verwandelt.“ Dasselbe lässt sich auch von Ida Lupino sagen, auf eine andere, ihr ganz eigene Art natürlich.
Es ist eine Regionalcodefreie US-Box, Ida Lupinos Filme gibt es in Deutschland nicht. Was es gibt, ist ein Buch im Berz Verlag („Ida Lupino: Die zwei Seiten der Kamera“) von 2018. Eine enervierende, in Teilen nahezu unlesbare akademische Selbstbespiegelung, die leider nur zu gut erklärt, warum es hierzulande mittlerweile eine tiefe Kluft zwischen der Filmwissenschaft und dem Publikum gibt (dies war ja nicht immer so).
Mein Kollege Prof. Dr. Tonio Klein hat über Ida Lupino in 35 MILLIMETER – DAS RETRO-FILMMAGAZIN einen sehr schönen Artikel geschrieben, den ich hingegen empfehlen kann.
Das Heft 27 (Juni/Juli 2018) von 35 MILLIMETER ist hier noch erhältlich: https://35mm-retrofilmmagazin.de/produkt/35-millimeter-27-juni-juli-18/
Die Box kann hier bezogen werden: https://www.amazon.com/-/de/dp/B07TKNG4XG/
oder hier: https://www.wowhd.de/ida-lupino-filmmaker-collection/738329238186
Robert Zion
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