35 Millimeter vor Ort – Perlen aus dem Norden Tag 2
INFAM (The Children’s Hour – 1961)
Karen Wright (Audrey Hepburn) und Martha Dobie (Shirley MacLaine) leiten ein Mädcheninternat. Als sie eine ihrer Schülerinnen, die verwöhnte und intrigante Mary, für ein Fehlverhalten bestrafen, rächt diese sich durch eine infame Lüge. Marys Behauptung, Karen und Martha seien mehr als nur gute Freundinnen, zieht immer größere Kreise, wird zum Skandal und löst letztendlich eine Kettenreaktion aus, die niemand mehr aufhalten kann.
Hepburn und MacLaine brillieren in ihren Rollen, die so untypisch für beide sind. Für Regisseur William Wyler war INFAM bereits die zweite Film-Adaption von Lillian Hellmans Theaterstück „The Children’s Hour“ von 1934. Für die erste Adaption, INFAME LÜGEN (These Three – 1936), schrieb Hellman sogar das Drehbuch. Doch zu dieser Zeit entschied der „Hays Code“, welche Themen man in Hollywood verfilmen durfte. Homosexualität – auch nur angedeutet – zählte nicht dazu. Aufgrund des Bekanntheitsgrades des Theaterstückes musste der Filmtitel geändert werden und das Skript wurde auf Drängen des Studios (MGM) gar so oft geändert, dass Wyler später behauptete, INFAM sei das erste und wahre Drehbuch.
Manuela Lay
Alles nur eine Lüge
„Das war unglaublich intensiv, richtig toll!“, bemerkt eine Besucherin beim Verlassen des Kinosaals nach der Vorführung von IMFAM (The Children’s Hour – 1961) von William Wyler. Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine: „Besonders Shirley MacLaine war ganz stark …“, lobt ihr Begleiter, „… aber die ist sowieso eine intensive Schauspielerin.“
Und so passte INFAM hervorragend als Hauptfilm für den gestrigen Themenabend „Drama am Donnerstag“ beim Filmfestival Perlen aus dem Norden – ergänzt von drei Public Service Announcements aus dem Archiv der Hamburger Kinemathek. Das Besondere an diesen ist die Besetzung, denn hier stehen Shirley MacLaine, John Wayne und Myrna Loy vor der Kamera und sprechen sich für soziale Zwecke aus. Als „ganz großes Starkino“ kündigte Organisator Nils Daniel Peiler auch den Hauptfilm an – zu Recht, denn neben Shirley MacLaine agieren Audrey Hepburn, James Garner und einige weitere bekannte Gesichter.
Trotzdem hatte es der Film bei seiner Veröffentlichung nicht leicht, erinnert Peiler an frühere deutsche Kritiken: „Der Film wurde heftig angefeindet, mit einer Mischung aus Abscheu, Verwunderung und Fassungslosigkeit.“ Kein Wunder, denn Homosexualität war Anfang der 60er Jahre noch ein Tabuthema. Schlimmer erging es der Erstverfilmung des Stoffes, die Wyler selbst bereits in den 30er Jahren umsetzte: Der Hays Code erzwang ein „heterosexuelles Dreieck“, wie Peiler berichtet.
Leider stand auch der vierte Abend technisch nicht unter dem allerbesten Stern. Nach dem Abbruch am Mittwoch ging ein vernehmbares Raunen durch die Menge, als nach einer kurzen Schwarzunterbrechung der Film deutlich gestört und ohne Ton weiterlief. Diese „verdrehte“ Rolle – übrigens handelt es sich bei den gezeigten Rollen um eine Erstaufführungskopie, wie Thomas Pfeiffer von der Hamburger Kinemathek bemerkte, – konnte jedoch schnell behoben werden. Und so durchbrachen lediglich zwei kleine Pausen einen ansonsten gelungenen Abend.
Barbara Scherer
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