Im Spiegel des Wahnsinns

‚Das Cabinet des Dr. Caligari‘ als Theaterpremiere in Köln

Im Februar 1920 feierte der expressionistische Stummfilm ‚Das Cabinet des Dr. Caligari‘ (Regie: Robert Wiene, Buch: Carl Mayer & Hans Janowitz) seine Premiere im Berliner Marmorhaus Kino und trat von dort aus einen weltweiten Siegeszug an. Jetzt, 95 Jahre später, hat der Kölner Theaterregisseur und Schauspieler Stefan Krause (www.neuesschauspielkoeln.de) den Film als ambitionierte Bühnen-Uraufführung adaptiert und in der Kölner Orangerie – Theater im Volksgarten am 18.04.2015 zur Premiere gebracht. Mit Hilfe der Lippendolmetscherin Judith Harter (www.lippendolmetscher.com) ist es gelungen, zum ersten Mal die wirklich im Film gesprochenen Worte der Akteure zu rekonstruieren und in Kombination mit den stummfilm-typischen Texttafeln in einem Theaterstück nieder zu schreiben. (Dramaturgie: Hanno Dinger)

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Dr. Caligari (Richard Hucke) ist ein dubioser Schausteller, der seinen Somnambulen Cesare (Alexander Hanfland) tagsüber auf dem Jahrmarkt ausstellt. Des Nachts streift Cesare als Werkzeug Caligaris umher und begeht furchtbare Morde. Nachdem der Freund des jungen Franzis (Frank Baumstark) auf bestialische Weise erstochen wurde und Franzis‘ Freundin Jane (hypnotisch: Ann-Cathrin Schaible) von Cesare entführt wird, will Franzis die Taten selbst aufklären. Die Verfolgung des flüchtigen Dr. Caligari führt Franzis in eine Irrenanstalt. Dort muss er die furchtbare Entdeckung machen, dass er selbst Insasse und der vermeintliche Caligari der Direktor der Anstalt ist.

Im flexiblen Bühnenraum der Orangerie steht eine massive und verzerrt wirkende Bühnenkonstruktion, die das Cabinet des Doktors darstellt. Zu Beginn der Jahrmarktszene wird dieses Heptaederkonstrukt fächerförmig ausgeklappt und ergießt sich förmlich über den Bühnenboden. Die expressionistische Bühne wurde von drei Studentinnen der Kölner Designschule KISD entworfen und gebaut und ist wichtiger Bestandteil der Inszenierung. Sie dient auch als Projektionsfläche für die Videoinstallationen von Tim Fehske, die das Bühnengeschehen in großen Nahaufnahmen der Figuren eindringlich in die Köpfe der Zuschauer projiziert. Das multimediale Spektakel wird durch die eigens komponierte Musik von Ansgar van Sauren (Schlagzeug) und Stephan Wipf (Gitarre) abgerundet, die jeder Figur ihr eigenes Musikthema geben und mit lauten, zuweilen dissonanten Klängen die Verrücktheit und den psychotischen Zustand der Protagonisten untermalen.

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Die Inszenierung von Stefan Krause hält sich nah an den Film und die Schauspieler nutzen eine expressive Gestik, die viele Filmzitate aufgreift und den Zuschauer tief ins grausige Geschehen entführt. Es gelingt, die surreale Doppelbödigkeit der Erzählebenen rund um Franzis‘ Geschichte und die Angst vor dem Wahnsinn zu verdeutlichen. In seiner Rolle kann Frank Baumstark sein pantomimisches Talent voll ausspielen. Richard Hucke als Caligari gibt den diabolischen Lenker des Geschehens, seine Figur ist wahnhaft und abgrundtief böse. Der erste Psychothriller der Filmgeschichte hat also auch auf der Bühne nichts von seiner Kraft verloren.

Der eindringlichste Moment der Inszenierung ist die Mordszene, in der Cesare (Alexander Hanfland) den jungen Alan (Patrick Bartsch) ersticht. In köperbeherrschter, präziser Zeitlupenoptik kämpfen Hanfland und Bartsch bis zum Tode – ein Regieeinfall der allein dem Theaterstück vorbehalten ist und dem Zuschauer lange im Gedächtnis bleibt.

‚Das Cabinet des Dr. Caligari‘ wird noch vom 28. bis 30.04. in der Kölner Orangerie zu sehen sein und es wäre wünschenswert, die aufwendige Produktion auch an anderen Häusern in Deutschland sehen zu können, allem voran in der Filmstadt Berlin.

Petra Schepeler

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