35 Millimeter vor Ort – Perlen aus dem Norden Tag 3

20.000 Meilen unter dem Meer

Walt Disney hätte damals kaum besser produzieren können. Man nehme eine der bekanntesten Geschichten eines literarischen Visionärs, eine erstklassige Besetzung mit Kirk Douglas, James Mason und Peter Lorre in den Hauptrollen und die kreativsten Köpfe für Tricktechnik und Studiokulissen. Herausgekommen ist dabei eine der wahrscheinlich schönsten und phantasievollstenVerfilmungen eines Werkes von Jules Verne. Der klassische Stoff bietet im positiven Sinne altmodische Abenteuerunterhaltung, etwas Witz und Humor, aber auch nachdenkliche Töne, gerade in Bezug auf den Charakter des Kapitän Nemo. Die Tricktechnik war für damalige Verhältnissen atemberaubend, gerade der Blick aus der Nautilus heraus in die Tiefsee oder die Unterwasserszenen waren in der Form vorher nie zu sehen. Auch der Höhepunkt, ein Kampf gegen einen riesigen Tintenfisch, wurde mit enormen Aufwand inszeniert. Der Film markierte den Startpunkt für Disney im Spielfilmsegment Fuß zu fassen und vermag auch heutzutage noch die ganze Familie zu unterhalten.

Carsten Henkelmann

20000 Leagues under the sea

Auch an diesem Abend durfte die 35 Millimeter-Redaktion wieder dafür sorgen, dass Besucher als glückliche Gewinner nach Hause gingen und nachdem die Technik den Veranstaltern die letzten Tage ein paarmal die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hatte, verlief an diesem Abend die Projektion aller Filme ohne die kleinste Störung. Also Schiff Ahoi und volle Kraft voraus in den ersten Teil des ersten Doppel-Feature-Abends, der unter dem Motto „Schiffe“ stand. Zum Einstieg hatte Thomas Pfeiffer vom Filmarchiv der Kinemathek Hamburg einen sehr schönen polnischen Dokumentarfilm über den Bau eines Schiffes bis zu dessen Stapellauf mitgebracht, außerdem das Making-Of von ERSTER SIEG (In Harm’s Way – 1965) und den Trailer zu KÖNIG DER FREIBEUTER (The Buccaneer – 1958).

Wie immer gab es wieder viel Wissenswertes wie z. B. dass 20.000 Meilen etwa 80.000 Kilometern entsprechen und dass es sich dabei um ein Längen- und nicht um ein Tiefenmaß handelt. Somit beschreibt der Hauptfilm des Abends 20.000 MEILEN UNTER DEM MEER (20,000 Leagues under the Sea – 1954) eine 20.000 Meilen lange Reise unter Wasser und die Disney Studios haben dafür alles aufgefahren, was es 1954 an Stars und Filmtechnik zu bieten gab.

20000-meilen-unter-dem-meer

Das Set der Nautilus ist opulent, die perfekte Mischung aus luxuriöser Dekadenz und futuristischer Technik. Vieles davon kann haben andere Regisseure später in ihren Filmen als Reminiszenz „eingeschmuggelt“. Mein persönlicher Favorit waren die Ausblickstationen in Captain Nemos Unterseebot, die man 1-zu-1 als Kampfstation in Han Solos Millennium Falcon wiederfindet. Die Tricktechnik ist nicht nur für die damalige Zeit erstklassig und der bereits erwähnte Kampf mit dem Riesentintenfisch ein absolutes Highlight. Die Erfahrungen, die die Disney Studios zuvor in ihren Naturdokumentationen gesammelt hatten, wurden in beeindruckender Weise vor allem in den Unterwasseraufnahmen genutzt. Dazu kommen aus dem Off die Erklärungen und Anmerkungen von Professor Aronnax (Paul Lukas) in bester Jacques Cousteau oder Steve Zissou Manier. James Mason spielt seinen Nemo als Mann zwischen Genie und Wahnsinn dem das Schicksal übel mitspielte, während Draufgänger Ned Land (Kirk Douglas) zur Freude der damaligen Damenwelt sich gleich mehrfach seines T‑Shirt entledigen darf. Peter Lorre gibt den treuen, loyalen Assistenten des Professors in seiner unnachahmlichen Art und für die jüngeren Zuschauer darf Nemos Haustier, die Seelöwin Esmeralda, als Running-Gag regelmäßig lustige Tricks vorführen. Ein typischer Disney Film für die ganze Familie, lediglich Schildkröten-Freunde sollten ihn auslassen.

20000 Leagues under the sea Poster

Danach ging es mit Tim Burtons „Ed Wood“ von 1994 weiter, der leider nicht mehr in unser Zeitfenster passt. Wer aber mehr über den angeblich schlechtesten Regisseur der Welt herausfinden will, dem sei dieser Film ans Herz gelegt.

Zu den Kurzfilmen aus dem Vorprogramm:

ERSTER SIEG von Otto Preminger zeigte, dass Making-Ofs keine Neu-Erfindung der Filmindustrie sind, um DVDs mit Bonusmaterial zu füllen, wie Nils Daniel Peiler bemerkte, sondern bereits vor Jahrzehnten dazu genutzt wurden, um das Publikum für einen Film zu interessieren. Und so gab es neben dem obligatorischen hawaiianischen Blumenkranzempfang der Filmcrew auch einen Schach-spielenden John Wayne in den Drehpausen zu bewundern.

Im Trailer zu KÖNIG DER FREIBEUTER erzählte Altmeister Cecil B. DeMille dem Publikum, warum es sich Yul Brynner als Pirat Jean Lafitte unbedingt ansehen sollte. In dieser Art und vor allem in dieser Länge wären Filmtrailer heutzutage gar nicht mehr finanzierbar.

Am eindrucksvollsten war jedoch der knapp 10-minütige Dokumentarfilm aus Polen (auch der Festival-Favorit des Chefredakteurs). In kinematografisch wunderschön eingefangen schwarzweiß Bildern begleitete der Film die Werftarbeiter beim Schweißen im Funkenregen oder als Vorschlaghammer-schwingende Schatten. Aber es waren die Gesichter der Arbeiter in Nahaufnahmen, die in Erinnerung bleiben. Erschöpft und müde während der Zigarettenpausen, nervös und angespannt beim Stapellauf und dann die Freude und auch der Stolz, als das Schiff, ihre harte Arbeit der letzten Wochen, zur seiner Jungfernfahrt antritt.

Manuela Lay

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