ERSTE REZENSION ZU ROBERT ZIONS NEUEM BUCH RHONDA FLEMING – QUEEN OF THE B’s
In wenigen Tagen erscheint das neue Buch unseres Redakteurs Robert Zion. Wir durften RHONDA FLEMING – QUEEN OF THE B’s als erste lesen.
RHONDA FLEMING – QUEEN OF THE B`S
Robert Zions Bücher sind im deutschsprachigen Raum der Goldstandard für Monographien über Filmpersönlichkeiten. Norbert Grob schrieb in einem William-Wyler-Buch einmal, es gäbe bei Filmschaffenden „die Freien und die Genauen“. Das ist auch bei Filmbuchautoren so. Zion gelingt in seinem neuesten Werk sogar, das eine mit dem anderen zu verbinden. Ich würde es auch dann uneingeschränkt loben, wäre er nicht unser Redaktionsmitglied. Woran liegt das nun? Wie immer, geht er nicht streng chronologisch vor, um sich von Lebensstation zu Lebensstation und von Film zu Film zu hangeln. Hierdurch gelingt ihm ein analytischer Blick, der nicht nur Filmgenres bündelt, sondern auch Aspekte von Rhonda Flemings Leben, ihrer Rezeption und dessen, was ihre Erscheinung und ihr Wirken ausmacht. Die (erfrischend offene statt kokette) Vorwort-Befürchtung, der leidenschaftliche Fan könnte der Objektivität und dem sehr ernstzunehmenden kulturwissenschaftlichen Anspruch im Wege stehen, wird sich in Gänze zerstreuen. Die Ausführungen im Hauptteil widmen sich so unterschiedlichen Aspekten wie der Seele (Georg Seeßlen) des Abenteuerfilms, dem ambivalenten Verhältnis der Ronald-Reagan-Freundin Fleming zur Politik, den mehr als bloß umgekehrten Geschlechterrollen in Flemings besten Auftritten, der speziellen Arbeitsweise einzelner Produktionsteams und sogar einzelner Technicolor-Consultants – ja, es gab nicht nur die alles überragende Natalie Kalmus. Obwohl die 1950er Jahre in den USA als besonders konservativ verschrien waren und der „Feuerkopf“ Fleming natürlich ein Image weg hatte, zeigt Zion: Sie hat zwar auch Mittelmäßiges gedreht, aber wenn es gut lief, wurde sie nicht bestimmt, sondern bestimmte sie selbst. Auch wer von der 50er-Jahre-B-Movie-Queen Rhonda Fleming noch nie gehört hat, wird im Anschluss alle ihre Western, Noirs und Abenteuerfilme sehen wollen.
Jenseits des filmischen Werks: Eine Würdigung ihres Privatlebens ohne jegliche Schlüssellochperspektive; stattdessen widerlegt Zion Klischees und Falschmeldungen, die oft auch noch in jüngeren Publikationen fröhliche Urständ feiern. Hier kommt eine weitere Qualität ins Spiel: Akribie. Die Rechercheleistung und der Anmerkungsapparat sind enorm. Letzteres, zudem mit Angaben zu verfügbaren Heimkinoveröffentlichungen versehen, findet man in dieser Detailliertheit meist nur in wissenschaftlichen Fachpublikationen oder in Filmbüchern, hinter denen ein großes Kollektiv steht, wie etwas bei den Prachtbänden zur jährlichen Berlinale-Retrospektive. Zion hat das ganz allein gestemmt und ist offenkundig gegen das Facebook-University-Virus immun.
Bei all dieser analytischen Schärfe und akribischen Genauigkeit bleiben neben dem kritischen Blick – ja, es gibt diverse schwache Filme – die Leidenschaft und Lebendigkeit nie auf der Strecke. Zion ist ein Kinoliebhaber, und im Kino möchte man Shakespeare-Mimen zwar nicht missen – aber einzigartig für das reine Kino ist, was Elinor Glyn „It“ nannte, Clara Bow zum ersten „It-Girl“ machte und hier nun zu Recht „Präsenz“ heißt. Rhonda Fleming hat sie. Das Buch ebenfalls. Anders als der sicherlich viele Filmpublizisten prägende und auch von Zion herangezogene Georg Seeßlen ist es jeder Verschwurbelung der Sprache abhold. Rhondas Leinwandzauber findet sein Äquivalent in Zions analytisch-begeisterndem Sprachzauber. Und im Zauber einer üppigen wie sinnfällig eingesetzten Bebilderung.
Robert Zion, BoD, 332 Seiten, Softcover, Deutschland 2020, € 29,99, ISBN: 978-3-751948-838
Prof. Dr. Tonio Klein