Douglas Sirk

“I think the great artists, especially in literature, have always thought with the heart.”

Douglas Sirk wurde 1897 in der Schweiz als Deutscher mit dem Namen Hans Detlef Sierck geboren, musste aber wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten 1937 nach Amerika auswandern, wo er eine Reihe von wirklich außergewöhnlich guten, wuchtigen, ungemein ästhetischen und subversiven Filmen drehte. Denkt man an das Genre des Melodramas, so denkt man automatisch auch an Sirk, denn er war es, der das Genre wohl zu absoluten Perfektion brachte und damit Vorbild und Inspirationsquelle für unzählige Filmemacher ist, unter anderem: Fassbinder, Kaurismäki, Graf, Wenders, Almodóvar, Kar-Wai, Waters, Bigelow, Lynch, von Trier. Die Liste könnte noch ewig weitergeführt werden. Die Geschichten in seinen Filmen sind meistens trivial, es sind schundromanartige Heulstorys, doch Sirk verwandelte sie in große Dramen, menschliche Dramen, führte den Zuschauer durch diese Geschichten zu den dunklen emotionalen Abgründen hinter der Fassade der amerikanischen Gesellschaft, zur dunklen Seite des American Dreams. Gerade deshalb wohl wurden sie – bevor sie Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger von Filmschaffenden und Kritikern geschätzt wurden – zu ihrer Entstehungszeit von der Kritik als banal und unwichtig zerrissen, trotz großen Erfolges an den Kinokassen.

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Er zeigt Individuen, die von der Gesellschaft erdrückt und zerfetzt werden, Diskurse über die mangelnde Vereinbarkeit von Gesellschaft und Individuum, und wie die Gesellschaft die Menschen in ein Korsett aus behauptete Idealen zwängt, das sie erstickt. Sirk hat es dennoch Mal um Mal geschafft, seine Geschichte zu einem Ende zu bringen, das trotz der offensichtlich utopischen Note der Happy Ends für die Figuren und die Zuschauer immer doch eine kathartische Wirkung entfaltet. Seine Filme sind Plädoyers für eine menschlichere Welt, die jedes Gegenargument durch ihre Wucht im Keim ersticken.

Visuell sind nur wenige Regisseure an die erhabene Pracht Sirks herangekommen. Jede Einstellung ist ein sich bewegendes Gemälde: diese satten, perfekt kombinierten, strahlenden Farben, diese großartige Kamera, diese makellosen Bildkompositionen, dieser ekstatisch ästhetische Stil. Sirks Filme sind immer äußerst künstlich, er interessierte sich nicht für nüchternen Realismus, die Künstlichkeit seines Stils spiegelt die Künstlichkeit und Unnatürlichkeit der Gesellschaft wider, die sich mit dem Natürlichen und Menschlichen nicht vereinbaren lässt. Dabei sind seine Filme teilweise unheimlich simpel, Sirk versteckt seine Intention oftmals nicht, die gesellschaftlichen Analysen und kritischen Züge sind nicht subtil oder versteckt, im Gegenteil: Sie sind dann offensichtlich, damit das Publikum sie nicht übersehen kann. Es sind Filme, die sich für grundlegende menschliche Belange interessieren, Augenblicke der Verfehlungen, der Trauer, der blinden Wut. Aber Sirk verurteilt seine Figuren niemals, er versucht ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, sie und ihre Menschlichkeit zu begreifen.

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Douglas Sirk und Lana Turner – August 1958

Schaut man auf den modernen Film, sieht man Sirks Einflüsse überall, im großartigen Fassbinder-Film ANGST ESSEN SEELE AUF (Angst essen Seele auf – 1974), in Lars von Triers Meisterwerk BREAKING THE WAVES (1996), in Kar-Wais IN THE MOOD FOR LOVE (Fayeungninwa– 2000), oder auch DEM HIMMEL SO FERN (Farfrom Heaven – 2002), dem Remake zu WAS DER HIMMEL ERLAUBT (All That Heaven Allows– 1955), vom großartigen Todd Haynes. Obwohl die Problematiken der 1950er Jahre heute nicht mehr in dieser Art existieren, sind die Geschichten von Sirk heute noch genauso wichtig und notwendig wie damals, denn die Gefahren und Irrwege der Gesellschaft sind immer noch mindestens ebenso relevant wie früher. Und sowieso: Es ist immer der Mensch, der bei ihm im Mittelpunkt steht, der von Sirk in seinen Filmen untersucht, geliebt, getröstet und beschützt wird. Und darumwerden seine Filmeauchimmer relevant bleiben.
“These happy endings all express the weak and sly promise that the world is not rotten and out of joint but meaningful and ultimately in excellent condition.”

 

Simon Kyprianou

 

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